Meine Kindheit als Vampir

Meine Kindheit als Vampir

Eine meiner liebsten Erinnerungen aus meiner Kindheit, die sich irgendwie immer mal wieder durch mein gesamtes Leben gezogen hat, war die Vorstellung ich sei ein Vampir.

Okay, vielleicht mögen da auch die Bücher von Angela Sommer-Bodenburg eine Rolle gespielt haben. „Der kleine Vampir.“ – wobei ich auch schon vorher eine gewisse Faszination nicht ausschließen konnte. Es ging mir als Kind nicht um die ziemlich einseitige Ernährung oder die Vorliebe für die morbiden Dinge (das kam aber ein wenig später), sondern eher um das Leben in der Nacht, die Option fliegen zu können und die panische Angst vor dem Tag.

Tagsüber gab es in der Realität weit mehr Gefahren für mich als in der Nacht… deshalb habe ich irgendwann mehr oder minder bewusst angefangen die Nacht als meine Verbündete zu sehen.
Sie hat mich fasziniert… der Mond, die Sterne und vielleicht ist so auch eine weitere Sehnsucht in mir entstanden: Das Weltall, beziehungsweise das Universum.

Wer mich aus dem einzigen sozialem Netzwerk kennt, welches ich auch gerne „meine kleine Ecke im Netz“ nenne, kennt, hat vielleicht schon mitbekommen, dass es ein Thema ist, welches ich mal mehr oder mal weniger intensiv verfolge. Aber das ist eine andere Geschichte. (Sorry für die Schachtelsätze… meine Lehrer*Innen hassten mich dafür!)

Also… Ich fühlte mich wie Lestat, der berühmte Vampir aus dem Buch von Anne Rice. Blut war allerdings nichts für mich und Knoblauch fand ich als Kind auch ziemlich unlecker, aber es war das Fliegen und die Stille der Nacht, die mich immer fasziniert haben.

Es ist sogar so, dass wenn ich einen schönen Traum hatte, ich da immer fliegen kann.
Ich schwebe oder fliege über die Dächer der Stadt, kann mir die Menschen von oben ansehen, wie sie nach der Arbeit nach Hause gehen – vor Diskotheken stehend und auf ein Taxi warten. Ich sehe die hell erleuchteten Tankstellen oder Parkanlagen, wo die Bäume so wunderbare Schatten werfen und ich suche mir dann oft einen Kirchturm oder eine andere Örtlichkeit, die weit über den Dächern liegt, so dass ich den Ausblick genießen kann. Ich spüre den Wind, die angenehme Kälte.
Das ist etwas, was mich wirklich glücklich machte.

Denn wenn ich nicht träumte, dann war ich wach und habe (auch schon als Kind) die Nacht genutzt. Ich habe gemalt, gespielt und sogar regelmäßig zum Leidwesen meiner Eltern angefangen mein Zimmer umzuräumen.
Ich kann mich sehr lebhaft an manch eine Situation erinnern, wo ein Elternteil recht verpennt nachts um drei in mein Kinderzimmer kam und aus allen Wolken fiel, dass ich mal wieder Kleiderschrank, Schreibtisch und Bett umgestellt hatte.
Natürlich musste das Mobiliar entsprechend leer geräumt werden und ich habe dann zumindest das Bett soweit wieder herrichten müssen, dass ich darin schlafen konnte… oder besser sollte.
Das blöde war ja, dass ich noch nicht fertig war und so habe ich mir dann den Rest der Nacht ausgemalt, wie ich am nächsten Morgen oder nach der Schule am nächsten Tag weiter machen konnte.

Im Grunde hat sich diese Sehnsucht auch weiter durch mein Leben gezogen.

Zu Silvester war es bei uns der Gegend üblich „Rummelpott“ zu laufen. Da verkleiden sich die Kinder und ziehen mit einem plattdeutschen Lied auf den Lippen von Tür zu Tür um Süßigkeiten oder mal ne Mark zu ergattern.
Und dort war ich eigentlich immer nur Vampir. Cowboy uninteressant. Mediziner? Überbewertet. Vampir musste es sein. Jahr für Jahr.
Manchmal wurde ich schon begrüßt mit den Worten „Ach, der kleine Vampir ist wieder da.“

Als ich dann später irgendwann im Berufsleben war, hatte ich dankenswerterweise oft und irgendwann auf Dauer die Möglichkeit Nachtschichten zu machen. Dafür bin ich meinen Chefs auch sehr dankbar gewesen. Denn abends um acht oder neun zur Arbeit zu gehen war cool… und ich musste mich kaum mit den Leben der Anderen beschäftigen.
Zum Glück konnte ich dann auch in Hamburg oft auch spät noch einkaufen gehen und sonst ein paar Dinge dann erledigen, wenn der Großteil der Leute zur Arbeit war. Weniger Leute waren unbewusst auch immer gut für mich.
Damals war ich längst nicht so reflektiert und deshalb sind mir die Hintergründe auch erst sehr viel später klar geworden. Aber meine Kollegen fanden irgendwie, dass ich wohl ein komischer Kautz wäre, da ich immer so gegen 8 Uhr nach Hause ging auch wohl optisch auch eher ziemlich „gruftig“ aussah. Aber so war ich eben…

Ich fand es schön in der Nacht unterwegs zu sein… mit der U-Bahn durch die Stadt fahren, wenn andere feiern… da konnte ich eine Menge toller Menschen sehen, die mit sich im Reinen waren. Ich habe mich von diesen Menschen „ernährt“ und so war ich auf meine Art und Weise zu dem Zeitpunkt auch im Reinen – der große Knall sollte erst später kommen.
Aber mein „Vampirleben“ war gut.

Dennoch ist es heute irgendwie vorbei… manchmal träume ich noch diese sehr intensiven Träume, wo ich über die Stadt fliege und das sind dann wunderbare Nächte. Ich zehre davon noch meist am nächsten Tag. Das „beflügelt“ mich.

In diesem Sinne… schlaft heute Nacht schön und vielleicht sehe ich Euch, wenn ich weit über Euch hinweg schwebe und einen kurzen Blick in Euer Leben werfe… und schaut gern kurz nach oben. Ich verspreche nicht zu beißen, sondern werde Euch freundlich winken.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert